Lebenslanges Lernen

Lebenslanges Lernen

Einige Auszüge aus Artikeln, die inhaltliche Kritik zu den Thema Lebenslanges Lernen enthalten.

Ein Phänomen – nicht nur der Wissensgesellschaft: Da kommt ein Begriff wie „Lebenslanges Lernen“ oder auch „nachhaltiges Wirtschaften“ daher, niemand weiß eigentlich woher, und unser Umgang mit den Begriffen tut dann so, als wäre der Inhalt neu, und bis zur Begriffs-„Prägung“ nicht existent. Was nicht stimmt — die Begriffe bezeichnen etablierte Tatbestände, möglicherweise pointiert, oder aus einer speziellen Perspektive, die aber dann nicht benannt wird. Oder sie verwenden einen bekannten Tatbestand, der bisher ohne expliziten Begriff daher kam, um neue Inhalte einzuführen (siehe „Lebenslanges Lernen“). Der bekannte Philosoph und Denker Immanuel Kant schrieb: „Begriff ohne Anschauung ist leer, und Anschauungen ohne Begriff sind blind.“

Reflexionen über die notwendige Fundierung eines bildungspolitischen Slogans

„Neue Produktionskonzepte sowie insgesamt Veränderungen aufgrund mehr systemischer statt tayloristischer Rationalisierungsmaßnahmen im technischen wie im kaufmännischen Sektor führten zu einem erhöhten Bedarf an flexibel denkenden und handelnden Menschen. Die Komplexität und die Dynamik dieser Veränderungsprozesse nehmen derartig zu, dass die Handlungs- und Lernfähigkeiten von Menschen und Sozialsystemen permanent auf die Probe gestellt sind.“

‚Informelles Lernen‘ bezeichnet ein Lernen, das in wechselnden Lebens- und Arbeitssituationen, also nicht in planmäßig geregelten Bildungsveranstaltungen (ebenda, 29), mithin „curricular nicht festgelegt“ offen, selbstbestimmt und praxisnah als eine Art „natürliches Lernen“ aus reflektierender Erfahrungsverarbeitung heraus stattfindet. Demgegenüber wird von ‚formalem Lernen‘ gesprochen, wenn das Lernen institutionell veranlasst, planmäßig strukturiert und mit anerkanntem Abschluss versehen wird (ebenda).“[TADE TRAMM & LOTHAR REETZ, Universität Hamburg]

Zuwanderung – Die Gesellschaft von morgen

„Ein noch heisseres Eisen ist das Thema der Zuwanderung. Das angesehene Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin schätzt, dass Deutschland ab dem Jahr 2020 jährlich eine Million Zuwanderer brauchen wird, um den Bestand der Arbeitskräfte zu erhalten.“

„Der Unterschied zu früheren Zeiten besteht darin, dass heute eine ständige Fortbildung bereits gut ausgebildeter und mit einem grossen Fachwissen ausgestatteter Erwachsener erforderlich ist. Früher war mit dem Eintritt in das Berufsleben die Ausbildung beendet – in der Wissensgesellschaft dagegen hört die Ausbildung nie auf.“

„Wissensarbeiter aller Art neigen dazu, sich mit ihrem Wissen zu identifizieren. Wenn sie sich jemandem vorstellen, sagen sie: „Ich bin Anthropologe“, oder: „Ich bin Physiotherapeut.“ Sie mögen stolz auf die Organisation sein, für die sie arbeiten, sei es eine Gesellschaft, eine Universität oder eine staatliche Institution, doch sie arbeiten „für die Organisation“, womit sie sagen wollen, dass sie nicht „zu ihr gehören“.“ [Peter Drucker, Die Weltwoche 01/2002]

Bildung & Gesellschaft

Bildungspathos und Erziehungswirklichkeit

[…] Voller Bewunderung blickten die Franzosen über den Rhein: Dort lag das Lese- und Bildungsland. Hartnäckig hielt sich bei unseren Nachbarn das Gerücht, deutsche Industrielle hätten in der Regel promoviert, die Mehrzahl der Beamten beherrsche seltene Sprachen wie Sanskrit und im Generalstab könne nur reüssieren, wer in der Lage sei, die „Kritik der reinen Vernunft“ korrekt wiederzugeben. Aber nicht nur die oberen Schichten, jedermann in Deutschland war anscheinend gebildet und hatte sich durch Bildung diszipliniert.

[…] Die Franzosen können sich zwar nicht länger über „la Nationalmannschaft“ lustig machen – aber sie stellen mit Genugtuung fest, dass sie in der OECD-Bildungstabelle sieben bis zehn Plätze vor uns liegen. In England bejubelt man den Spitzenplatz der eigenen Nation im Bildungscup und freut sich, die deutschen Besserwisser abgehängt zu haben.

[…] Die Aufregung über das schlechte Abschneiden im OECD-Bildungsvergleich war in der Bundesrepublik weitaus stärker als in vergleichbaren Ländern. Frankreich beispielsweise nimmt auch nur einen Mittelplatz im OECD-Feld ein, doch wurde dieser mit der den Franzosen eigenen Begabung zur Klassifikation, die schon Balzac an seinen Landsleuten bewunderte, umgehend zur Spitzenposition der unteren Hälfte hochstilisiert. Frankreich, so heißt es in offiziösen Verlautbarungen, habe nicht schlechter, in der Mathematik sogar besser abgeschnitten als die USA, es habe alle osteuropäischen Länder hinter sich gelassen, es stehe an der Spitze der „lateineuropäischen“ Länder – vor allem aber: Es übertreffe in allen Kategorien Deutschland.

[…] Die Misere des deutschen Bildungssystems hat ihren Ursprung in einer fatalen Asymmetrie: wir überfrachten den Bildungsbegriff und verkennen die Erziehungswirklichkeit.

[…] Aufmerksam lauschen wir präsidialen Reden, in denen Bildung als innere Form, Seelenhaltung und moralische Widerständigkeit beschworen wird. Und dann werden wir durch die Schultragödie von Erfurt darüber belehrt, dass es ein deutsches Bundesland gibt, in dem ein Schüler, der das Abitur nicht besteht, keinerlei Bildungsabschluss vorzuweisen hat und damit ohne jede Möglichkeit der Korrektur zum gesellschaftlichen Außenseiter abgestempelt wird. Auch dies ist ein deutscher Weg: vom Bildungsideal zu schwärmen und den Alltag in den Institutionen zu verdrängen.

Nur in Deutschland kann in erhabenem Ton die Rede davon sein, „dass die wahre Erziehung eben in der Bildung besteht“. Zu einer solchen Behauptung fehlen den anderen Europäern die Worte. Die meisten unserer Nachbarn müssen auf das Pathos des Bildungsbegriffs verzichten – und kompensieren diesen Mangel im Vokabular ihrer Muttersprache mit einer besseren Erziehungspraxis. „Bildung“ gehört in Deutschland in den semantischen Umkreis von „Kultur“, nicht von „Zivilisation“.

[…] umgekehrt hätte es Bayern nichts geschadet, wenn der Ministerpräsident und seine Fachministerin über allem Stolz auf die eigene Schulpolitik nicht vergessen hätten, dass Bayern, wie Jürgen Baumert trocken bilanzierte, in seinen Schulleistungen, international gesehen, auch nicht mehr als das Bremen Kanadas ist. [Eröffnungsrede auf dem Kongress „McKinsey bildet“; Wolf Lepenies, 5. September 2002]

 

Lebenslanges Lernen

Siehe auch weitere Texte zum Thema Lifelong Learning auf Englisch.

 

 


 


 

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