Eine Biographie
Kindheit & Jugend
Die Anfänge
Polen (1871–1889)
Rosa Luxemburg (Rozalia Luksenburg) wurde am 5. März 1871 im polnischen Zamość geboren. Sie war das fünfte und jüngste Kind des Holzhändlers Eliasz Luxenburg (1830–1900) und seiner Frau Line, geb. Löwenstein (1835–1897). Die Luxenburgs waren als Landschaftsarchitekten, die Löwensteins als Rabbiner und Hebraisten nach Zamość gekommen.
Die kleinere Stadt Zamość liegt im südöstlichen Teil des heutigen Polens, etwa 60km von der ukrainischen Grenze entfernt. Zur Zeit Rosa Luxemburgs, gehörte die Stadt zum Kongress-Polen (auch Königreich Polen) das auf dem Wiener Kongress 1815 geschaffen, und im Laufe der Zeit immer stärker in das Russische Zarenreich integriert wurde.
Im Jahr 1873 zog die Familie nach Warschau und 1874 wurde ein Hüftleiden der Tochter irrtümlich als Tuberkulose diagnostiziert und falsch behandelt. Dadurch blieb ihre Hüfte deformiert, sodass sie fortan leicht hinkte.
Rosa erhielt eine umfassende humanistische Bildung und lernte neben Polnisch, Französisch, Deutsch und Russisch auch Latein und Altgriechisch.
Seit 1880 besuchte sie ein Gymnasium, und ab 1884 das Zweite Frauengymnasium in Warschau, wo sie 1887 ihr Abitur als Klassenbeste und mit Auszeichnung bestand. Die damals bei solchen Gelegenheiten übliche Goldmedaille wurde ihr allerdings von der Schulverwaltung mit der Begründung „einer oppositionellen Haltung gegenüber den Behörden“ verweigert.
Im zarten Alter von 16 Jahren trat sie der Partei „Sozialistische revolutionäre Partei Proletariat“ (gegründete 1882) bei. Sie lass erstmals Schriften von Karl Marx, die damals illegal nach Polen gebracht und ins Polnische übersetzt wurden. Anfang 1889 floh sie vor der Zarenpolizei, die ihre Mitgliedschaft im verbotenen „Proletariat“ entdeckt, hatte in die Schweiz nach Zürich.
Schweiz (1889–1897)
Studium
Rosa wohnte im Haus der Familie Carl Lübecks (SPD), der nach seiner Verurteilung im Leipziger Hochverratsprozess 1872 emigriert war. An der Universität Zürich, studierte Rosa Luxemburg ein buntes Spektrum an Fächern, u.a. Philosophie, Geschichte, Politik, Wirtschaft und Mathematik. Sie spezialisierte sich auf Staatswissenschaft (Volkswirtschaftslehre), das Mittelalter und die Wirtschafts- und Börsenkrisen. Jedoch führte ihr politisches Engagement zu häufigen Unterbrechungen des Studiums.
Ihre Dissertation mit dem Titel „Die industrielle Entwicklung Polens“ erhielt das Prädikat „magna cum laude“ und wurde offiziell im Frühjahr 1897 an der Universität Zürich vorgestellt, die ihr einen Doktor der Rechtswissenschaften verlieh. Sie war eine Kuriosität in Zürich als eine der ganz wenigen Frauen mit einem Doktortitel. Die Universität Zürich war zu Ende des 19 Jahrhunderts, die einzige Universität an der Frauen und Männer gleichberechtigt studieren durften. Das ist umso bemerkenswerte, wenn man bedenkt, dass die Schweiz erst 1971, als eines der letzten europäischen Länder, Frauen das Wählen gestattete.
Wie andere revolutionäre Emigranten arbeitete sie aktiv in der örtlichen Arbeiterbewegung und nahm Anteil intellektuellen Leben. Ab 1891 hatte sie eine Liebesbeziehung mit dem polnischen Marxisten Leo Jogiches. Die beiden waren bis 1906 ein Liebespaar, und auch danach waren sie durch ihre gemeinsamen politischen Überzeugungen eng verbunden. Sie lernte von ihm grundsätzliches über Parteiarbeit, konspirative Methoden und die Arbeit im (politischen) Untergrund und Leo finanzierte teilweise ihr Studium. Sie half ihm beim Übersetzen marxistischer Texte ins Russische, die er in Konkurrenz zu den Arbeiten von Georgi Plechanow nach Polen und Russland schmuggelte.
Aufbau der SDKP
Luxemburg war überzeugt, dass ein unabhängiges Polen nur durch eine sozialistische Revolution in Deutschland, Österreich und Russland entstehen und existieren könnte. Sie unterstrich, dass es hierbei hauptsächlich um einen Kampf gegen den Kapitalismus gehen müsse, und nicht nur für die polnische Unabhängigkeit. Diese „internationale“ Position, die aber auch in das Selbstbestimmungsrecht der Staaten eingriff, provozierte nicht nur einen ideologischen Streit mit dem Genossen Vladimir Lenin, sondern stand auch im direkten Widerspruch zum Programm der Polnische Sozialistische Partei (PPS, gegründet 1892), die die Polens nationale Unabhängigkeit und Umwandlung in eine bürgerliche Demokratie anstrebte. Rosa Luxemburg war federführend bei der Ausarbeitung dieser politischen Linie: nicht das Abschütteln der russischen Vorherrschaft in Polen sei vorrangig, sondern die solidarische Zusammenarbeit der Arbeiter europäischer Staaten zum Sturz des Zarismus, sodann des Kapitalismus und der schlussendlich der Monarchie in ganz Europa.
Zusammen mit Leo Jogiches und Julian Marchlewski (alias Julius Karski) gründete Rosa Luxemburg die (Partei-)Zeitung „Sprawa Robotnicza“ (Sache der Arbeiter) im Jahr 1893, die in Paris erschien.
Als Zeitungsredakteurin (Pseudonym: „R. Kruszynska“) durfte sie als polnische Delegierte am Kongress der 2. Internationale (6.–12. August 1893) in der Tonhalle Zürich teilnehmen und vertrat dort die obige Position. Das führte zu einer Eskalation des Streits mit der PPS, die daraufhin erreichte, dass der Kongress per Mehrheitsbeschluss die PPS als einzige legitime polnische Delegation anerkannte und Rosa Luxemburg vom Kongress ausschloss.
Daraufhin gründete sie mit Leo Jogiches und weiteren Freunden im August 1893 die Partei Sozialdemokratie des Königreiches Polen (SDKP; ab 1900 Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauens; SDKPiL). Es gelang, die SDKP in Polen zu etablieren und später viele PPS-Anhänger zu ihr hinüberzuziehen; allerdings zu dem Preis, dass sie sich viele politische Gegner schuf.
Nach ein paar Jahren war sie bereits als führende Theoretikerin der revolutionären sozialistischen Partei Polens anerkannt und nebenbei wichtigste Mitarbeiter der Parteizeitung „Sprawa Robotnicza“ (Sache der Arbeiter), die in Paris erschien. 1894 wurde der Name der Partei in „Sozialdemokratie des Königreichs Polens“ (SDKP) geändert.
Im Jahr 1893 setzte sich Rosa Luxemburg mit einer anderen polnischen Partei auseinander, der „Polnischen Sozialistischen Partei“ (PPS). Diese Gruppe kämpfte für die Unabhängigkeit Polens und wurde von allen erfahrenen Führern des internationalen Sozialismus anerkannt. Rosa Luxemburg beschuldigte sie wegen nationalistischer Tendenzen und der Absicht, die Arbeiter vom Klassenkampf abzulenken. So schuf sie sich rasch viele politische Gegner.
Deutschland (1889–1904)
Luxemburg wollte nach Deutschland ziehen, dem damaligen Zentrum der internationalen Arbeiterbewegung. Sie hatte jedoch keine Möglichkeit, eine permanente Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Im April 1897 heiratete sie den daher Gustav Lübeck den einzigen Sohn ihrer Züricher Gastfamilie und erhielt als seine Ehefrau die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie lebten nie zusammen und ließen sich fünf Jahre später formal scheiden. Neben einer kurzen Stippvisite in Dresden, zog sie dann permanent nach Berlin und wurde umgehend Parteimitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), die in der Arbeiterbewegung als fortschrittlichste sozialistische Partei Europas galt.
Sie arbeitete regelmäßig bei verschiedenen sozialistischen Zeitungen, u.a. bei der „Neuen Zeit“, in der Chefredaktion der Sächsischen Arbeiterzeitung, als Redakteurin der SPD-Parteizeitung Vorwärts (1905) und sprach auf zahlreichen Massenveranstaltungen. Jedoch war die deutsche Bewegung damals in zwei Hauptrichtungen, eine reformistische und eine revolutionäre, gespalten. Da in Deutschland der Wohlstand zunahm, und sich auch der Lebensstandard der Arbeiter verbesserte, entfernten sich die Sozialisten immer mehr von der revolutionären Konzeption und trat immer mehr für den Reformismus ein. Ihr wichtigste Sprecher, Eduard Bernstein, griff die Prinzipien des Marxismus immer offener an, welche Rosa Luxemburg sofort verteidigte. 1899 rechnete sie in dem Buch „Sozialreform oder Revolution“ mit Bernsteins Ideen ab.
In der Frauenabteilung der SPD lernte sie Clara Zetkin kennen, mit der sie eine lebenslange Freundschaft verband. Luxemburg war ein Mitglied des kompromisslosen linken Flügels der SPD, dessen klar umrissene Position war, dass das Ziel der Befreiung der industriellen Arbeiterklasse und alle anderen Minderheiten nur durch eine Revolution erreicht werden konnte.
Die Russische Revolution
Wortführerin des linken Flügels in der SPD
1905 brach die erste russische Revolution aus und Rosa reiste trotz schlechter Gesundheit nach Warschau, in der Hoffnung, die Revolution mit vorantreiben zu können. Da sie verbotenerweise Versammlungen abhielt und Zeitungen veröffentlichte, wurde sie am 4. Januar 1906 verhaftet und unter unzumutbaren Haftbedingungen festgehalten. Sie erkrankte an Gelbsucht, die nicht behandelt wurde und wurde erst im August mit Hilfe eines ärztlichen Attests wieder entlassen.
Die russische Revolution erweckte einen Gedanken zum Leben, den Rosa Luxemburg schon einige Jahre früher beschäftigt hatte: dass Massenstreiks ein entscheidendes Element im revolutionären Kampf der Arbeiter um die Macht bilden und die sozialistische von allen anderen Revolutionen unterscheiden. Nun wollte sie diesen Gedanken auf der Grundlage neuer Erfahrungen ausarbeiten.
Im Oktober 1907 nahm Rosa Luxemburg die Tätigkeit als Dozentin an der SPD-Parteischule auf. Neben der Lehrtätigkeit ging die kritische Auseinandersetzung mit anderen SPD-Parteimitgliedern weiter. Innerhalb der SPD kommt es zu immer größeren Konflikten. Ab 1911 profilierte sich Rosa Luxemburg zur populärsten Theoretikerin und Wortführerin des linken SPD-Flügels, indem sie sich immer energischer gegen die beginnende Hochrüstung für den ersten Weltkrieg, gegen den anschwellenden Nationalismus und den um sich greifenden Militarismus wandte.
Von nun an war die SPD sogar in drei Richtungen gespalten: die Reformisten, das sogenannte Marxistische Zentrum und die Revolutionäre. Rosa versuchte, die Massen darüber aufzuklären, dass ihnen ein Krieg nichts bringen würde, was dazu führte, dass sie am 20. Februar 1914 erneut verhaftet wurde. In einer Rede rief sie aus: „Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffen gegen unsere französischen oder anderen ausländischen Brüder zu erheben, so erklären wir: ‚Nein, das tun wir nicht!‘ “ Auch vor Gericht wurde die Angeklagte plötzlich zum Ankläger und hielt eine glänzende revolutionär-sozialistische Rede, die später unter dem Titel „Militarismus, Krieg und Arbeiterklasse“ veröffentlicht wurde. Dennoch wurde sie zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Allerdings wurde sie nicht sofort verhaftet, so dass sie nach Verlassen des Gerichts sogleich wieder einer Massenveranstaltung beiwohnen konnte, auf der sie ihre revolutionäre Propaganda gegen den Krieg fortsetzte.
Die Novemberrevolution
Am 9. November 1918 wurde Rosa endlich entlassen. Sie blieb zunächst bei Freunden in Breslau, da noch keine Züge nach Berlin verkehrten. Jedoch reiste sie sobald als möglich ab. Als sie dort eintraf, war die Novemberrevolution bereits in vollem Gange. Der Kaiser hatte abgedankt und sein letzter Kanzler hatte die Regierung an den Sozialdemokraten Ebert übergeben, der ein Gegner der sozialen Revolution war. Rosa stürzte sich sofort in die Arbeit, doch sie und die anderen Mitglieder des Spartakusbundes hatten nun mit ganz neuen Problemen zu kämpfen. Die SPD sorgte dafür, dass ihre Zeitung („Die Rote Fahne“) und Flugblätter nicht gedruckt werden konnten. Regierungstreue Soldaten erschienen immer wieder in ihrer Redaktion.
Die Gruppe forderte die Bildung einer Räteregierung, die anderen Parteien wollten jedoch die alten Verhältnisse mit einem neuen Parlament bewahren. Außerdem wurde der Revolution mit einer Soldatenwehr von 15 000 Mann eine zuverlässige Truppe entgegengesetzt. Trotzdem begannen die Massen, sich den Forderungen des Spartakusbundes zuzuwenden und veranlassten eine riesige Streikwelle, die durch das ganze Land ging. Leider fehlte es aber an einem klaren Programm sowie an der klaren Trennung von der SPD. So wurde endlich, am 31. Dezember 1918 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Bereits am folgenden Tag wurde in der Presse angedroht, diese Partei nur mit Gewalt niederwerfen zu können.
So geschah es, dass sich im Januar die rechten sozialdemokratischen Führer mit der kaiserlichen Armee verbanden, um das revolutionäre Proletariat zu auszumerzen. Dabei wurden Tausende von Arbeitern ermordet (Januaraufstand). Am 15. Januar schrieb Karl Liebknecht in der letzten Ausgabe der „Roten Fahne“: „Und ob wir dann noch leben werden, wenn das Ziel erreicht wird – leben wird unser Programm.“
Noch am selben Abend wurden er und Rosa ins Hotel Eden gebracht, wo sie unter schweren Misshandlungen verhört wurden. Anschließend wurde Liebknecht erschossen und auch Rosa Luxemburg, die wenig später brutal zusammengeschlagen wurde, tötete schließlich eine Kugel. Ihre Leiche wurde in das schlammige Wasser des Landwehrkanals geworfen und erst am 31. Mai entdeckt. Deshalb musste ihr Sarg zunächst leer bleiben, als sie symbolisch mit den anderen Opfern des Januaraufstands zu Grabe getragen wurde. Mit ihrem Tod verlor die Arbeiterbewegung eine ihrer wichtigsten Führer.